Anonym anmelder i Neue Freie Presse

Nora ved Wiener Stadt-Theater anmeldt i Neue Freie Presse i Wien 9. september 1881 (No. 6118).
[Stadttheater.]   Das Schauspiel «Nora» von dem norwegischen Dichter Henrik Ibsen ist heute Abends zum erstenmale in Wien aufgeführt worden. Trotzdem es modern bürgerliche Verhältnisse auseinandersetzt, könnte das Stück in das Zeitalter der Romantik verwiesen werden. Ein schweres Geheimniß muß drei Acte lang verschwiegen werden, und wenn es zuletzt an den Tag kommt, ist dem Zuhörer schon längst alle Freude an der Sache abhanden gekommen. Manche Scenen lassen sich ziemlich interessant an, aber das Ganze läuft auf eine Art Mystification hinaus. Es ist unmöglich, die verzwickte Psychologie zu genießen, die uns der Dichter zum Schlusse in endlosem Zwiegespräche auftischt, noch unmöglicher, dem lächerlichen Ausgange des Stückes mit ernstem Gesichte zuzusehen. Das gut besetzte Haus ist der langsam schleichenden Handlung mit Aufmerksamkeit gefolgt, von einem durchgreifenden Erfolge kann aber natürlich keine Rede sein. Von den Darstellern wollen wir für heute nur Fräulein Hofmann nennen; sie hat sich als Nora eine Rolle aufgebürdet, die zur größeren Hälfte jenseits ihres liebenswürdigen und etwas aufdringlichen Talentes liegt, in der sie aber manches Tüchtige geleistet und dafür reichlichen Beifall geerntet hat.
Publisert 2. apr. 2018 13:10 - Sist endret 2. apr. 2018 13:11