Signaturen «#» i Die Post

Nora på Berliner Theater anmeldt av signaturen «#» i Die Post. Berliner neueste Nachrichten 30. april 1892 (Nr. 118, 27. Jahrgang).

Berliner Theater.

Frau Sorma hatte gestern die volle Reize ihrer Kunst in den nicht immer freundlichen Dienst der Muse Ibsens gestellt, indem sie die Nora spielte. Der Erfolg dieser Darstellung war in den ersten beiden Akten ein warmer und tiefer, erlahmte aber im dritten Akte, was nicht sowohl der Schauspielerin zuzuschreiben sein mag, als dem Dichter, der hier die Wahrheit grausam vergewaltigt. Frau Sormas Leistung gewährt dergestalt eine treffende Kritik der Ibsenschen Kunst. Wo die Nora ohne alle quälenden Züge vor uns tritt, wo sie in überströmender Zärtlichkeit die Mutter verkörperte, wo sie in ausgelassener Neckerei mit ihren Kindern umhertollt, wo sie die tändelnde, scherzende, herzige Gattin giebt, wo sie leise, ganz leise mit dem todtkranken Hausfreunde kokettirt, da schöpfte Frau Sorma aus dem Vollen, da war sie nicht «Puppe» nach des Dichters Geheiß, sondern Weib, ganz Weib. Auch blieb die Seelenmalerei noch fein und wahr, als das Gespenst des Günther den Glückesjubel zu trüben begann, als das Bewußtsein einer gesetzwidrigen Handlung der Nora aufdämmert und qualvoll größer und größer wird. Alle diese Regungen und Stimmungen wurden als der Ausdruck einer verzehrenden, großen Liebe zu Mann und Kindern dargestellt, als die bange Sorge, daß ein unermeßliches Glück jäh dahinschwinden könnte. Da kommt der dritte Akt mit der für den norwegischen Poeten unglaublich sentimentalischen Umstimmung des Günther, mit der Aufdeckung der Fälschung Noras vor ihrem Manne, mit der Auseinandersetzung zwischen beiden, mit Noras Fortgang. Wir sollen glauben, daß diese Nora, die hingebende, in allen Gefühlen überströmende Nora, wie sie Frau Sorma in den ersten Akten spielte, nach einer leidenschaftlichen Aufwallung, neben ihrem Gatten gelassen Platz nimmt und nach dem Recepte: «Und wenn das Erst und Zweit nicht wär, das Dritte wäre nimmermehr» auseinandersetzt, warum sie ihn verlassen muß; daß diese Mutter ihre Kinder bei Nacht und Nebel abschiedslos verläßt? Nimmermehr. Hier mußte auch Frau Sormas Kunst an dem scheitern, was Ibsen als «Wahrheit» gilt, was aber nichts Anderes ist, als ein undramatisches, verquältes Hin und Her von Worten, als ein den Prämissen keineswegs entsprechender Schluß. Die eisige Starre, die Ibsen hier will, die Konsequenz eines Eigensinns, der sich in den ersten Akten keineswegs wie ein Verhängniß verkündendes Moment gab, war Frau Sorma vergeblich bemüht, uns glaubenswerth darzustellen. Sie bewies eben die Unmöglichkeit dieses Schlusses. Natürlich ward auch der fröhlichen, scherzenden, der Lustspiel-Nora der lebhaftere Beifall von dem vollbesetzten Hause zu Theil, als der eisgewordenen, ihrer Liebe angeblich beraubten, unglücklichen Nora.

Herr Kraußneck spielte den Gatten der Nora mit einer philiströsen Behäbigkeit, die Anfangs am Platze sein mochte, später aber, als es dem Rausch der Leidenschaft galt, viel zu nüchtern wirkte. Frl. Butze als Christine gefiel sich wiederum in einer alterthümelnden Manier. Wozu das? Sie ist doch eine Pensionsgenossin der Nora, ihre Freundin und Beratherin, der dieser übertrieben schwiegermütterliche Zug schlecht zu Gesichte steht. Herr Suske war anfänglich, bei allerdings charakteristischer Maske, zu sehr der schnarrende Theaterbösewicht, um es glaubhaft zu machen, daß in ihm noch Weichherzigkeit schlummern soll. Herr Stahl charakterisirte den Dr. Rank recht treffend; daß er für einen Rückenmarksschwindsüchtigen im letzten Stadium noch auffallend gut zu Fuße war und diese Widerlichkeit dergestalt milderte, wird ihm kein Zuschauer von Geschmack zum Vorwurf machen wollen.

Das scenische Arrangement schien sich an des Dichters Vorschriften zu halten. Verwundern mußte es allerdings, daß die Komposition einer hellgrünen Tapete, terrakottafarbener Möbeln und karmoisinrother Thürvorhänge nach dem Geschmacke des wiederholt als feinsinnig gepriesenen Dr. Helmer sein sollte.

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Publisert 2. apr. 2018 14:01 - Sist endret 14. mai 2018 12:52