Signaturen «Harlan»

Kejser og Galilæer på Leipziger Stadttheater anmeldt av signaturen «Harlan» i Das Magazin für Literatur i Leipzig, Nr. 51, 1896, s. 1576-1577.

Litterarische Chronik.

Leipziger Stadttheater.   Der Berichterstatter des «Magazins» über leipziger Theater hat etwas zu melden. Und zwar etwas wahrhaft Großes, eine schöne, verdienstvolle Tat: Am 5. Dezember wurde Ibsens «weltgeschichtliches Schauspiel» «Kaiser und Galiläer» am hiesigen Stadttheater aufgeführt. Das ist nun zwar kein neues Stück (es erschien 1873), aber es war doch immerhin die Weltpremière einer litterarisch außerordentlich bedeutsamen Bühnendichtung, die also an unserem Stadttheater eher zum Bühnenleben kam, als im Vaterlande des Dichters. Henrik Ibsen wird sich jetzt von der Theaterstadt Leipzig eine große Vorstellung machen. Wenn er wüßte ...!

Emil Reich, meines Erachtens unser gründlichster Ibsenkenner, hält die zehnaktige Gedankendichtung «Kaiser und Galiläer» für ungeeignet zur Aufführung. Er hat ebensowohl, wie unser Bearbeiter, Leopold Adler, gesehen, daß das Werk eine große Anzahl eminent dramatischer Szenen enthält, aber er schätzt es doch mehr als ein Dokument zur Entwicklungsgeschichte des Dichters, denn als Theaterstück. Er meint nicht nur, daß das Stück zu unförmig für die Bühne sei, sondern er findet auch solche die Bühnenwirkung beeinträchtigenden Eigenschaften, die durch kein Streichen und Einrichten zu beseitigen wären. Warum es nun freilich ein Mangel für das Theater sein soll, wenn gegen einen Helden zwanzig Gegenspieler stehen, leuchtet mir nicht ein, und auch in anderer Hinsicht hat der unbestreitbare Erfolg, den das Stück hier hatte, dem Wagemute des Bearbeiters Recht gegeben. Ibsens spätere analytische Technik ist in «Kaiser und Galiläer» noch nicht angewendet, wir sehen eine lange Reihe von gewaltigen Geschehnissen auf der Bühne vorüberziehen. Nicht nur des Julianus Apostata gewaltsamen Aufstieg zum Kaiserthron, seine Regirung und sein Ende sehen wir mit Augen, sondern auch die wichtigsten Ereignisse jener gewaltigen Wendezeit der Weltgeschichte, Schlachten und Wunder. Im übrigen ist die Technik des Stückes schon Ibsentechnik von Anfang bis Ende, und vor allem ist der Held der allerdings das Drama fast allein zu spielen hat, kein Tugendheld, sondern ein Held im modernen Sinne des Kunstworts, ein außerordentlich problematischer, außerordentlich großartiger und außerordentlich menschlicher Mensch, auf den sich während der vier Stunden, wo wir ihn vor uns sehen und hören, der ganze Gang der «Weltgeschichte» zu beziehen scheint.

Adlers Bearbeitung hat einige vielleicht auch noch entbehrliche Stellen, aber keine Längen. Ich war dem Bearbeiter dankbar, daß er z. B. die kurze, für das Verständnis des Ideengehaltes, der Unterströmung, so wertvolle Szene Julians mit Maximus unter den Ruinen erhalten hatte, und war ihm dankbar, daß überall die Geschichtsphilosophie Ibsens und nicht seine Aktion im Vordergrunde zu stehen schien. So ist Art und Wesen der Dichtung erhalten geblieben, und das Publikum war doch freudig bei der Sache. Nur über einige Unklarheiten, ja über «schrecklichen Mysticismus» hörte ich nachher klagen, aber diese Nebel würde eine ungestrichene Aufführung der zehn Akte auch nicht zerstört haben. Man müßte mit dem Dichter, nicht mit dem Bearbeiter über ihre Berechtigung streiten.

Die hiesige Aufführung, die sich diesmal sogar durch eine überraschend fleißige, liebevolle Regie und Inszenirung auszeichnete, genügte vollkommen, um die Hauptwirkungen der Dichtung zur Geltung zu bringen, und wenn Fritz Mauthner im Berliner Tageblatt schreibt, unser Herr Taeger hätte den Kaiser Julianus gespielt wie einen Heldenjüngling von Theodor Körner, so ist das entschieden zu grob. Wir sind doch mit gehobenem Gefühl aus dem Theater gegangen, und das wäre nicht der Fall gewesen, wenn der Hauptdarsteller seine Rolle (übrigens eine Rolle von 22 Bogen) nicht einigermaßen ausgefüllt hätte.

Wenn ich nun den Standpunkt des dankbaren Leipzigers verlasse und die Frage aufwerfe, ob man diesen alten Ibsen überhaupt noch spielen soll, so muß ich auch Ja! Ja! sagen. «Kaiser und Galiläer» das wohl unter dem Einfluß Hegelscher Philosophie entstanden ist, mutet uns weniger fremdartig an, als die späteren nordischen Dramen des Dichters, seine Ideenwelt ist die großartigste, gewaltigste, an die ein Dichter sich nur wagen kann, und wenn ich nun dieses welthistorische Schauspiel des Norwegers etwa mit unseres Wildenbruch jüngsten Theaterhistorien vergleichen wollte, so könnte sich mein gutdeutsches Herz nur schämen und ärgern. Aber wozu das? Ich weiß einen unter den lebenden deutschen Dichtern, der schon jetzt in seinem vierunddreißigsten Jahre jenem geheimnisvollen Ideale Julians, jenem «dritten Reich», in dem Schönheit und Wahrheit zu einer Herrlichkeit verbunden sind, näher ist, als der Dichter des «Baumeister Solneß» und des «Klein Eyolf».

Harlan.
Publisert 9. apr. 2018 09:21 - Sist endret 16. apr. 2018 11:39