Anonym anmelder i Neue Freie Presse

Die Stützen der Gesellschaft ved Wiener Stadt-Theater anmeldt i Neue Freie Presse i Wien 23. februar 1878 (Nr. 4847).

Theater- und Kunstnachrichten.

Wien, 22. Februar.

[Stadttheater.] Das vieractige Schauspiel von dem norwegischen Dichter Henrik Ibsen: «Die Stützen der Gesellschaft», hat heute Abends in Wien seine erste Aufführung erlebt. Die Handlung spielt in einer Kleinstadt und deren Hauptfigur ist ein gewisser Consul Bernick, ein Gerechter im Lande, eine Stütze der Gesellschaft, in Wirklichkeit ein ausgemachter Hallunke, der im Verlaufe des Stückes aus einem Leben in der Lüge zu einem Leben in der Wahrheit hinübergeführt werden soll. Ganz wie der Kaufmann im «Fallissement» von Ibsens Landsmann Björnson. Im Grunde haben wir es da wieder mit einer Gründergeschichte zu thun, einer Gründergeschichte in greller Nordlichtbeleuchtung. Ibsen hat ein gewisses Talent für heftige Situationen, leider ein weit geringeres, dieselben sorgsam zu motiviren. Einige davon, z. B. die Angst des Vaters um den verloren geglaubten Sohn, kennen wir auch schon aus seiner «Nordischen Heerfahrt». Das neue Stück ist etwas verworren; man hat sich namentlich durch ein Gestrüpp von Verwandtschaftsverhältnissen durchzuschlagen, wovon Einem der Kopf müde wird. Ist man aber einmal in diesem Wirrsal von Vettern und Basen, Schwägern und Schwestern einigermaßen orientirt, so erwacht das Interesse, und das ist die Hauptsache. Nach der echt kleinstädtischen Langweile des ersten Actes erwärmte sich auch das Publicum und hielt von da an tapfer aus, trotz der theilweise bedenklichen Darstellung. Herr Grève spielte die Hauptrolle, den Consul Bernick, damit ist Alles gesagt; er spielte nicht ohne Verständniß, aber mit durchaus unsympathischen Mitteln. Betty, die Frau des Consuls, war in den Händen der Frau Schönfeld, also bestens aufgehoben. Fräulein Weisse als ältere Halbschwester mit so difficilen Verwandtschaftsgraden ist da zu rechnen zeigte Schärfe und Ueberlegenheit, Herr Herzfeld als jüngerer Bruder Wärme, Verlegenheit und Ungeschick. Herr Tyrolt gab sehr glücklich die Figur eines socialistisch gefärbten Schiffsbauers. Der Rest ist Schweigen oder wäre besser Schweigen. Der Rest gehört in die Provinz.

Publisert 3. apr. 2018 11:31 - Sist endret 3. apr. 2018 11:32